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20. Januar 1942 – 80 Jahre Wannsee-Konferenz

Am 20. Januar 1942 kamen hochrangige Vertreter des NS-Regimes zu einer „Besprechung mit anschließendem Frühstück“ in die Berliner Villa „Am Großen Wannsee 56-58“, dem vornehmen Gästehaus der SS (Schutzstaffel).
Man hatte mit der Wahl des Ortes wohl für eine ruhige und entspannte Atmosphäre in einem repräsentativen Ambiente sorgen wollen.

Haus der Wannsee-Konferenz © A.Savin, WikiCommons

Diese Besprechung ging als Wannsee-Konferenz in die Geschichte ein.
Fälschlicherweise wird das, was dort verabredet wurde, gemeinhin oft als Beschluss der „Endlösung der Judenfrage“, also als endgültiger Beschluss zum Mord an den europäischen Juden, bezeichnet. Doch dieser Beschluss war schon längst vorher auf höherer politischer Ebene getroffen worden.

Schon im Sommer 1941 hatte Hitler die ausnahmslose Massentötung aller Juden auf dem besetzten sowjetischen Territorium angewiesen. Der Kennzeichnungspflicht jüdischer Menschen mit dem gelben „Judenstern“ im September 1941 waren nur einen Monat später systematische Deportationen von deutschen, österreichischen, tschechischen und luxemburger Juden gefolgt. Ebenfalls im Oktober 1941 waren die ersten Vernichtungslager im besetzten Polen errichtet worden in Belżec, einem kleinen Ort im „Generalgouvernement“, und in der Ortschaft Chelmno (Kulmhof) im damaligen „Reichsgau Wartheland“.
Zum Zeitpunkt der Konferenz im Januar 1942 waren schon über eine halbe Million Menschen durch Massenerschießungen in der Sowjetunion und in Gaswagen in den Vernichtungslagern qualvoll ermordet worden. Der Völkermord war längst in vollem Gang. Aber die Einsatzgruppenführer der laufenden Massenmordaktionen, die von deutschen Ordnungspolizeibataillonen und SS-Brigaden durchgeführt wurden, hatten Probleme nach Berlin gemeldet: Die Truppen seien dafür technisch nicht ausreichend gerüstet, und die Exekutionskommandos seien zu großen psychischen Belastungen ausgesetzt. Außerdem ließen sich solche Mordaktionen nicht immer vor der einheimischem Bevölkerung geheim halten.

Reinhard Heydrich, der Chef der Sicherheitspolizei (SIPO) und des Sicherheitsdienstes (SD), hatte den Auftrag, „einen Entwurf über die organisatorischen, sachlichen und materiellen Belange“ der Endlösung zu erarbeiten mit dem Ziel, Europa „judenfrei“ zu machen. Aber dafür bedurfte es der Koordination aller daran beteiligten Stellen. Dem sollte die Besprechung im Januar 1942 dienen.

15 Personen, darunter Staatssekretäre verschiedener Ministerien sowie hohe Partei- und SS-Funktionäre, nahmen teil. Heydrich weihte sie in die langfristig angelegten Pläne zur Ausweitung des Völkermords auf Europa ein und wies ausdrücklich darauf hin, dass er dazu von Reichsmarschall Hermann Göring autorisiert worden sei. Alle europäischen Juden waren in den Deportationsplan, die „Auskämmaktion“, einbezogen. Elf Millionen Juden aus dem Deutschen Reich und seinen besetzten Gebieten, aber auch weit darüber hinaus, sollten ausgelöscht werden: die englischen, finnischen, irischen, portugiesischen und schwedischen ebenso wie die Schweizer, die spanischen und die türkischen Juden.
Die Arbeitsfähigen unter ihnen, auch darüber wurden die Teilnehmer informiert, sollten in den Vernichtungslagern dem Tod durch Arbeit zum Opfer fallen.
Obersturmbannführer Adolf Eichmann war der Leiter des Judenreferats (IV B 4) im Reichssicherheitshauptamt (RSHA) und für die gesamte Deportation der Juden zuständig. Er fasste das Ergebnis der Besprechung in einem Protokoll zusammen, das im Original erhalten geblieben ist. Ihr schon im ersten Einladungsschreiben genanntes Ziel, die „Erreichung einer gleichen Auffassung bei den in Betracht kommenden Zentralinstanzen“, hatte die Konferenz erreicht. Niemand, so sagte Eichmann Jahrzehnte später, als er in den 1960er Jahren in Israel vor Gericht gestellt wurde, habe grundsätzliche Bedenken oder Einwände geltend gemacht.

Sechs Millionen jüdische Männer, Frauen und Kinder, aber auch Roma und Sinti, Kommunisten, Homosexuelle, Behinderte und unzählige weitere Menschen, die als «lebensunwert» der Nazi-Ideologie zum Opfer fielen, sind in dieser immer mehr perfektionierten fabrikmäßigen Mordmaschinerie umgekommen, nicht nur in Belżec und Chelmno und Auschwitz, auch in Treblinka, Majdanek, Sobibor.
Daran erinnert Jahr für Jahr der 27. Januar – der Tag, an dem das größte der deutschen Vernichtungslager, Auschwitz, von der Roten Armee befreit wurde.

In diesem Jahr fällt der Blick besonders auf die Wannsee-Konferenz vor 80 Jahren, bei der alle Teilnehmer, wenn sie es nicht schon längst waren, zu Mitwissern und Mittätern des größten Verbrechens der Menschheitsgeschichte wurden.

Seit 1992 ist das Haus am Wannsee eine Gedenk- und Bildungsstätte mit Ausstellungen und pädagogischen Möglichkeiten, sich mit der Geschichte der Verfolgung und Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden, mit der Geschichte des Nationalsozialismus, mit der Vorgeschichte oder den Nachwirkungen zu befassen. Zur Homepage geht es hier: https://www.ghwk.de/

Es gab schon mehrfach Filme zur Wannseekonferenz. Im ZDF läuft am 24. Januar 2022 um 20.15 h der ganz neue Film „Die Wannseekonferenz“. Infos dazu siehe hier: https://www.dwdl.de/nachrichten/85393/zdf_nennt_sendetermin_fuer_wannseekonferenzfilm/?utm_source=&utm_medium=&utm_campaign=&utm_term=

Im vorigen Jahr entstand am Anno zum 27. Januar ein 20-minütiges Gedenkvideo zum Thema Auschwitz, das nach wie vor aktuell ist und hier angeschaut werden kann: https://www.youtube.com/watch?v=VwK6s4hHNLA&feature=youtu.be

Annette Hirzel, Schul-Pfarrerin i.R.